Vom Turnfestverlierer zum ungeschlagenen Korbballmeister
Der Anfang
Nachdem sie sich bereits seit einigen Jahren zum Turnen getroffen hatten, gründeten zehn «entschlossene Jünglinge» am 6. Juli 1913 in Oberurnen einen Turnverein. Der Wille war da, an vielem anderen mangelte es noch: Den Oberurnern fehlte eine Turnlokalität, sie hatten noch keine Turngeräte und auch noch keine Erfahrung.
Geräte stellte der Turnverein Mollis zur Verfügung und trainiert wurde im Quellenhofsaal des lokalen Gasthauses Hirschen, im Müsli und im Zweifelsfall auch im Güterschuppen. An der Erfahrung musste zunächst noch gearbeitet werden, was die Teilnahme am ersten Turnfest, 1914 in Glarus, auch bestätigte: Die Oberurner erzielten im Sektionsturnen den letzten Platz.
Die Kriegsjahre
Während der Kriegsjahre fanden keine Turnfeste statt und der Oberturner und weitere Mitglieder mussten zum Grenzdienst. Nichtsdestotrotz trainierten die Oberurner fleissig weiter. Am Kantonalturnfest 1921 konnten die Oberurner ein paar Plätze gutmachen und platzierten sich nicht auf dem letzten Platz. Ausgerüstet mit der ersten Vereinsfahne, welche durch Sammlungen und einem Blumentag anlässlich der neuen Kirche finanziert werden konnte, starteten die Oberurner 1925 am eidgenössischen Turnfest in Genf. Zuvor legten die Mitglieder einen Schwur ab: Sie wollten nicht ohne Kranz zurückkehren. Diesen hatten sie auf der Rückreise auch im Gepäck und es sollte nicht der letzte gewesen sein.
1928 wurde in Oberurnen die frisch gebaute Dorfturnhalle eröffnet und man war guter Dinge, dass sich die Trainingsmöglichkeiten nun verbessern würden. Kurz nach der Eröffnung stand die Turnhalle aber unter Wasser und die Renovation zog sich bis 1932. 1929 organisierten die Oberurner die kantonale Turnfahrt und spielten erstmals Korb- und Jägerball – der Anfang einer Erfolgsgeschichte? Noch nicht.
Statt das 25-jährige Jubiläum 1939 zu feiern, musste abermals der Turnbetrieb pausiert werden. Die Turnhalle wurde als Truppenunterkunft genutzt und Turnfeste waren wiederum aus den Jahresprogrammen gestrichen. Die Zeit wurde für die Mitgliederakquirierung genutzt und für die älteren Jahrgänge wurde 1942 die Männerriege gegründet. 1945 folgte der Damenturnverein.
Der Aufstieg
1947 gingen die Oberurner dann wiederum ans ETF und brachten einen weiteren Kranz heim. Für dieses Jahr wird auch erstmals ein Turnchränzli erwähnt. Zwei Jahre später holte sich der Turnverein am GlaBü in Ennenda in der 4. Stärkeklasse Gold. Die hohe Punktzahl konnte am folgenden GlaBü noch übertroffen werden und am nächsten ETF in Lausanne 1951 erreichten die Turner Rang 19 von über 600 startenden Vereinen.
Kurz vor dem 50. Geburtstag wurde die Oberurner Turnerschar durch die Gründung des Frauenturnvereins am 8. Juni 1963 komplettiert.
In den darauffolgenden Jahren prägten die Turner das Dorfleben mit diversen Veranstaltungen wie der traditionellen 1. August-Show oder den in unregelmässigen Abständen stattfindenden Chränzlis. Auf kantonaler Ebene engagierte man sich in der Organisation verschiedener Turnanlässe.
1978 gelang den Oberurnern erstmals der Sieg an den Wintermeisterschaften im Korbball. Dies war der Beginn einer Erfolgssträhne, die bis zur Einstellung der Korbballmeisterschaften in den 90ern anhalten sollte.
Herausfordernde Jahre
Die späten 80er-Jahre forderten den Turnverein. Die Vorstandsposten konnten nur noch interimsmässig besetzt werden und die Mitglieder beteiligten sich immer weniger an den Aktivitäten des Turnvereins. Als der Vorstand 1993 endlich wieder besetzt werden konnte und eine neue Halle bereitstand, konnte das Vereinsleben wieder aufblühen. Mit dem «Schnellst Oberurner» wurde 1995 ein Erfolgsanlass geboren.
Der Mitgliederschwund der Männerturner hielt an, weshalb der Männerturnverein 2006 mit dem Turnverein fusionierte.
Nach 20-jähriger Pause fand 2009 erstmals wieder ein Turnerchränzli statt.
Wo steht das Turnen in Oberurnen heute?
Die Oberurner Halle ist nahezu täglich in Gebrauch: Von Montag bis Freitag finden an drei Abenden Trainings des Turnvereins statt, an zwei Abenden ist der Damenturnverein aktiv, an einem Abend wird die Halle neben dem Turnverein auch vom Frauenturnverein genutzt und an vier Abenden finden vor den «regulären» Trainings Jugendriegenstunden statt. Auch für die Allerkleinsten ist etwas dabei. In Oberurnen wird ein KiTu und samstags auch ein Zwergli-Turnen angeboten.
Trainiert wird in der ersten Jahreshälfte überwiegend für die Turnfestsaison. An den Turnfesten treten seit einigen Jahren der Turnverein und der Damenturnverein gemeinsam an und decken ein breites Disziplinenspektrum ab.
Alle zwei Jahre findet seit 2009 in Oberurnen das beliebte Turnerchränzli statt, dem die Trainings in der zweiten Jahreshälfte gewidmet werden.
Daneben starten der Turnverein und der Damenturnverein an der Wintermeisterschaft im Volleyball und im Unihockey. Hier führt man die Rangliste nicht wie beim Korbball seit Jahrzehnten an, doch mischt insbesondere der Turnverein immer wieder im Volleyball wie auch im Unihockey vorne mit. 2024 durfte sich der Turnverein Oberurnen wiederum Wintermeister Volleyball nennen.
Neben den sportlichen Aktivitäten wird auch weiterhin das Dorfleben aktiv mitgeprägt. So gehört der SchmuDo Oberurnen zu den traditionellen Fastnachtsanlässen im Kanton. Im August steht der Schnellste Oberurner nach wie vor auf dem Programm und auch an der Chilbi betreiben Turnverein und Damenturnverein gemeinsam ein Barzelt, welches abgerundet wird durch Torwandschiessen und Harassenklettern. Im Herbst folgt alle zwei Jahre das Turnerchränzli und in der Adventszeit kann man sich am Chlauseinzug am Stand der Turnerinnen mit Getränken aufwärmen.
Text: Jasmin Siemon
Quelle und Bilder: Turnverein Oberurnen (2013): 100 Jahre Turnverein Oberurnen. zVg.