Mit dem Velo an die Gymnaestrada – ein Reisebericht von Romy Eberle
An einer GFTV-Vorstandssitzung setzte sich die Idee bei der Präsidentin Romy Eberle und der Pressechefin Gabi Heinzer fest, 1991 per Velo an die Gymnaestrada nach Holland zu reisen. Mit Velobüchern und Kartenmaterial bestückt machten wir uns auf den Weg nach Basel, um dort die dick gefüllten Velotaschen, Zelt, Schlafsack und Rucksack aufzuschnallen. Als erstes erwartete uns, mit «Unterstützung» von 25 kg Gepäck auf dem 5-Gang-Drahtesel, eine tolle Schussabfahrt von Pfeffingen nach Aesch, die unseren stark belasteten Fahrgestellen als Hauptprobe und uns beiden Fahrerinnen als sogenannte Mutprobe diente. Dann gelangten wir durch verschiedene Vorstadtagglomerationen nach Basel, St. Louis, um auf der rechten Uferseite des Rheins eine idyllische Flusslandschaft zu geniessen.
Abends versuchten wir, einen Campingplatz zu finden, was uns aber nach einigen Umwegen nicht gelingen sollte. So entschlossen wir uns nach 135 km Radfahren, in Kenzingen ein Hotel aufzusuchen. Täglich um 7.00 Uhr gab es auf dieser Reise Frühstück und dann ging’s los aufs Velo. Weiter den Rhein entlang mühten wir uns auf einem Naturweg in einer Gluthitze von 36°C im Schatten ab. Und in Kehl beschlossen wir, den Nachmittag im Schwimmbad zu verbringen und nachts per Zug durch das Ruhrgebiet bis nach Duisburg zu gelangen.
Schnarchender Japaner
Der schnarchende Japaner im Erstklassabteil war der Grund, dass es mit Gabis Laune am Morgen nicht zum Besten stand. Doch nach einer Irrfahrt im Industriegebiet mit vielen Hochkaminen fanden wir endlich mit Matrosenhilfe die Schifferböser, wo unsere Route wieder auf Nebenstrassen weiterführte. Am Wisslersee übernachteten wir auf einem wunderschönen Campingplatz und samstagmorgens genossen wir den selbstgebrauten Kaffee, um dann weiter nach Emerich zu radeln, wo wir die «grüne Grenze» überquerten.
Wiedersehen mit Glarnern
Bis mittags erreichten wir Barberich und assen unser Picknick auf einer Strassenmauer wie zwei Landstreicher. Und plötzlich – ich traute meinen Augen kaum – kamen unsere Ehrenmitglieder Annemarie Frigg und ihr Ehemann dahergefahren. Natürlich gab es ein fröhliches Wiedersehen in Holland und beim Kaffee erzählten wir alle unsere Erlebnisse. Eine Fähre brachte uns dann von Oud Zeverdan nach Huisen, von der ging’s auf einer der vielen Dammstrassen entlang nach Arnheim, und in Osterbeck logierten wir in der Pension Johanna, sodass uns das Zeltaufstellen im strömenden Regen erspart blieb.
Pleiten, Pech und Pannen
Sonntag, 14. Juli 1991: Dieser Tag stand unter dem Motto Pleiten, Pech und Pannen. Angefangen hatte es mit dem vergeblichen Suchen von Gabis Veloschlüssel. Die Eisensäge half dann, das Problem der Eisenkette zu lösen. Nach Zeist warf uns Gabis Velovorderrad mit einem Platten auf der Marschtabelle zurück, doch wie ein professioneller Veloflicker bestand sie diese Aufgabe souverän.
Kaum von diesem Schrecken erholt, fühlte ich mich wie auf einem Kinderfahrrad, denn mein Sattel rutschte ganz in die Tiefe. Aber Gabis Engländerschlüssel behob auch diese Panne und so erreichten wir einen gemütlichen Zeltplatz zwischen zwei Autobahnen, den wir in de Built auf der Karte fanden und nach Erkundigungen dann aber in Zeist bestätigt erhielten, was für eine Blamage. Doch auch das wurde mit grossem Gelächter hingenommen. Gabi lernte das scharfe indonesische Essen lieben und vergisst diese Gaumenfreude nicht so schnell.
Immer wieder Regen .... und Glarner
Die letzte Etappe nahmen wir mit Regenschutz unter die Räder und nach einem lustigen Palaver mit einem zahnlosen alten Holländer in einer Sprache von Holländisch und Schweizerdeutsch gemischt, erreichten wir dann Amsterdam. Ein junges Pärchen führte uns auf halsbrecherische Weise über Rotlichter durch die Stadt. Und wir fanden dann auch das Olympiastadion und kurz darauf auch einen Campingplatz, nachdem wir zwei Jogger anhielten und in Hochdeutsch ansprachen, und in Glarnerdeutsch eine Antwort erhielten. Natürlich waren wir perplex, Hans Schindler und Walter Jenny aus dem Glarner Hinterland hier anzutreffen. Die Rückreise war, nach vielen tollen Erlebnissen an der Gymnaestrada, im Zug deutlich entspannter.
Romy Eberle (1991): Gymnaestrada Amsterdam per Velo. In: Glarner Turnen 09/1991, S. 32f.