Heute im Porträt: Trix Tschudi, Ennenda
Die turnerische Vita von Trix Tschudi ist lang. Ein Erlebnis überstrahlt in der Rückblende alles.
Aufgewachsen in Glarus turnte sie in der Jugi und später im Damenturnverein. Nach ihrer Heirat und dem Umzug nach Ennenda wechselte sie, im noch jungen Alter von 28 Jahren, zum lokalen Frauenturnverein. Hier traf sie auf Hanni Marti, eine engagierte Leiterin, gute Gymnastin und, wie sich später herausstellen sollte, ihre künftige Mentorin. Motiviert von Hanni übernahm sie bald die Leitung beim FTV Ennenda, absolvierte Kurse beim STV, um Kreiskurse leiten zu dürfen und wurde in die technische Kommission des Glarner Frauenturnverbands gewählt. In dieser Eigenschaft durfte sie die Vorführung für das Eröffnungsprogramm am ETF in Bern 1996 mit den Glarner Turnerinnen einstudieren und trainieren. Heute leitet sie noch das Seniorenturnen.
Bleibende Erinnerung
Ihre grossen Verdienste für das Frauenturnen im Kanton Glarus mag sie nicht in den Vordergrund stellen: «Da haben viele engagierte Frauen vor mir den Weg geebnet und ich durfte während meiner Zeit auf ebenso engagierte Mitarbeiterinnen und Leiterinnen in den Vereinen zählen. Es herrschte Aufbruchstimmung. Alle haben am gleichen Strick gezogen.» Vermeintlich Unscheinbares bleibt in Erinnerung. So wie 1995, als sich alle zum gemeinsamen Nähen für das ETF-Tenue in der Turnhalle trafen. Der Spirit, gemeinsam etwas zu bewegen, sich mit kreativen Ideen in die Gemeinschaft einzubringen, beflügelte Turnerinnen und Leiterinnen gleichermassen. Und schweisste zusammen.
Oder als sich die «FFFF-Frauä Glarnerland» bei ihr und Erika Schwab für die Geduld und enorme Arbeit der letzten anderthalb Jahre bei der Vorbereitung für die Aufführung am ETF in Bern mit einer selbst gestalteten, von allen unterschriebenen Karte bedankten. Das sind die Essenzen, die das Leben bereichern.
Gymnaestradabesuch mit Folgen
Als eine der wenigen Glarnerinnen nahm Hanni Marti an der Gymnaestrada 1982 in Zürich teil. Ihre Vorfreude und Begeisterung waren ansteckend. Vier Turnerinnen, darunter Trix, wollten sich dieses Spektakel nicht entgehen lassen. Mit einem Rucksack voller Eindrücke kehrte sie in’s Glarnerland zurück. Sie schleppte allerdings auch ein Virus ein: Das Gymnaestrada-Virus! Da wollte sie dabei sein. In fremde Kulturen reinschnuppern, sich im Sprachenwirrwarr zurechtfinden, turnen mit tausenden von Gleichgesinnten, das wollte sie einmal erleben. Zur nächsten Gymnaestrada 1987 reisten dreissig Turnerinnen vom GFTV mit dem Zug nach Herning (DK).
Velkommen til Herning
Schon die Eröffnungsfeier mit Gesang, Bewegung und Feuerwerk vor 17’000 Turnenden aus 25 Nationen erzeugte Hühnerhaut, manche Träne wurde verstohlen weggewischt. Absoluter Höhepunkt, so hörte man nicht nur aus Schweizer Sicht, war die Vorführung «Helvetia» mit 600 Turnerinnen im rot-weissen Gymnastikdress mit weissen Bällen. Das weisse Kreuz im roten Feld und auf grüner Fläche bildete ein zeichnendes Schlussbild.
Ein Kontrast besonderer Art wurde beim Ausmarsch der Fahnenträger, als Palästina und Israel nebeneinander das Stadion verliessen, verzeichnet. Überwältigt von den Dimensionen, begeistert von den sportlichen Darbietungen vergehen die Tage wie im Flug.
Do you want to Change?
Nicht nur die rot-weissen Turntenue der Schweizer Delegation wussten zu gefallen. Auch die Trainerjacken waren ein Objekt der Begierde. Unzählige Fragen zum Tenuetausch mit ausländischen Kameradinnen mussten abschlägig beantwortet werden. Schliesslich sollte die Tauschjacke nicht nur optisch gefallen, sondern auch in etwa die richtige Grösse haben. Trix kehrte, nach wohlüberlegtem Abwägen, zu guter Letzt als «Holländerin» nach Hause.
Ein Tausch anderer Art hätten sich die Glarnerinnen auf der Rückfahrt gewünscht. Kurz nach Herning erlitt der Zugswagon einen Achsenbruch. Er wurde aus der Zugskomposition genommen mit dem Versprechen, in Flensburg würde ein neuer Wagen bereitgestellt. Zwischenzeitlich fanden sie Unterschlupf in einem bis auf den letzten Platz besetzten Wagen mit Turnern. Ganz Gentlemen boten sie den Glarnerinnen im Rotationssystem ihre Plätze an. Flensburg zog vor den Zugfenstern vorbei, ebenso Hamburg und ab Frankfurt hätte man es fast bedauert, wenn noch ein zusätzlicher Wagen angehängt worden wäre. Also Vorfreude auf die nächste Gymnaestrada? Nein, wehrt Trix ab, das Virus war besiegt, der Hunger gestillt. Denn vielleicht wäre es das nächste Mal nicht mehr so eindrücklich gewesen. So schwelgt sie noch heute mit leuchtenden Augen in Erinnerungen von einem besonderen Erlebnis.
Ob diese Zeilen aus dem Zeitungsbericht von Mägdi Hösli über die Tage in Herning die Emotionen von Trix Tschudi perfekt treffen?
Die Atmosphäre unter den Teilnehmern war einmalig, man spürte tiefempfundene Freude. Es verband die Aktiven und Gäste zu einem weltumspannenden Gymnaestradavolk. Man fand aber auch Oasen der Stille oder Gelegenheit, etwas vom Lande des Märchendichters Hans Christian Andersen zu spüren. Und zur Schlusszeremonie: Rote, weisse Ballone und hunderte von Tauben wurden losgelassen, die Fahnen eingezogen. Eine gewisse Melancholie tauchte auf, es galt, Abschied zu nehmen von einer grossartigen Turndemonstration, die Menschen verband.
Text: Ernst Schreiber
Bilder: zVg. Trix Tschudi