Heute im Porträt: DTV Braunwald

Turnverein ohne Turnhalle

Wie kommt man auf die Idee, einen Turnverein zu gründen ohne Turnhalle? Trudy Hefti lehnt sich im Speisesaal des Märchenhotels in Braunwald, da wo die erste Indoor-Turnstunde vor 60 Jahren stattfand, entspannt zurück. Die in Schwanden aufgewachsene Trudy kam, als aktive Turnerin beim DTV Schwanden, 1962 nach Braunwald. Sich im Tal einem Turnverein anzuschliessen, war keine Option, fuhr die letzte Bahn doch bereits um 21 Uhr und die 600 Höhenmeter Fussmarsch nach Braunwald waren ihr nach der Turnstunde doch zu beschwerlich. Also schloss sie sich dem gemischten Chor an. Singen war schön, aber Turnen ihre Passion. Für die Gesangskolleginnen bot sie, als ausgebildete Leiterin, eine Turnstunde an. Der Zulauf war überschaubar. Doch Touristen fanden zunehmend auch Gefallen am Freiluftturnen mit schönster Aussicht auf die friedliche Bergwelt, vor allem am Volleyballspiel, das jeweils am Samstag zusätzlich auf dem Programm stand.

Turnen im Hotel

Schon 1963 spielten sie mit dem Gedanken, einen Turnverein zu gründen. Sie wollten nicht irgendeine bewegungsfreudige Frauentruppe sein, die so nebenbei noch Touristen unterhält. Nein, sie wollten ein offizieller Turnverein sein. 1964 wurde der DTV Braunwald gegründet. Die Mitglieder reichten knapp, um den Vorstand zu bestellen. Der Schulhausplatz, der einzige asphaltierte Platz in der Gemeinde, war für die Turnerinnen im Sommer ideal. Doch der Winter nahte und die selbst auferlegte Temperaturgrenze von 12°C, um noch im Freien zu turnen, war schnell erreicht. Was nun? Die erste Präsidentin, Silvia Frey, fragte beim damaligen Hotelier des Hotel Bellevue nach, ob er ihnen den Speisesaal in der Zwischensaison für die Turnstunden überlassen würde. Er willigte ein. Einzige Bedingung: Sie mussten in dieser Zeit die Blumen giessen. Tische und Stühle raus aus dem Speisesaal, Turnutensilien rein und die Zwischensaison war gerettet. Und die Kronleuchter? Vorsichtig aus dem Weg gehen!

Altersturnen in der Kirche

Das Interesse am Turnen wuchs, die Altersstruktur wurde breiter. So war es nur konsequent, ab 1972 adaptierte Turnstunden anzubieten. Die Möglichkeit, den Raum unter der Kirche zu nutzen, verhalf dem Altersturnen zum Durchbruch und bot dem DTV bei Regen, und vor allem im Winter, ein Dach über dem Kopf. Neue Perspektiven eröffneten sich. Nebst Turnstunden mit Fokus auf Beweglichkeit und Koordination stand alternativ auch Schwimmen im Jahresprogramm. Die gelenkschonende Möglichkeit der körperlichen Ertüchtigung erfreute sich grosser Beliebtheit. Der Bedarf an Badeanzügen stieg im Gleichschritt mit der Freude, sich im Hallenbad in Braunwald oder im Gründli in Glarus zu ertüchtigen. Kein Weg war den Braunwaldnerinnen zu weit.

Gründung der Mädchenriege

Rhythmisches Schlagen eines Tamburins durchbrach die Braunwalder Stille an einem lauen Sommertag. Neugierig folgte Trudy dem monotonen Klang. Die Lehrerin liess, den damaligen Gepflogenheiten im Schulsport folgend, die Kinder im Takt des Tamburins um den Schulhausplatz rennen. Der begeisterten Turnerin blutete das Herz. Aber nicht lange, sie wollte die Kinder für den Turnsport begeistern. Die damals noch gültige Geschlechtertrennung interessierte sie nicht. Knaben sollten auch Spass haben und durften bei den Mädchen mitturnen. Die Mädchenriege wurde 1973 offiziell gegründet und im Jahre 1980 wurde MUKI-Turnen Bestandteil der Braunwalder Turnbewegung. Aber immer noch ohne Turnhalle.

Die Turnhalle

Mitte der 70-er Jahre zog eine Familie aus dem Kanton Zürich nach Braunwald. Die Frau engagierte sich in der Gemeinde und amtete bald als Schulpräsidentin, er war Architekt. Und es gab keine Turnhalle. Pläne wurden geschmiedet, Überzeugungsarbeit geleistet, um dem mittlerweile stattlichen Turnverein aber auch dem Schulturnen adäquate Bedingungen zur Verfügung zu stellen. Der Turnverein war nicht nur gewachsen, sondern hat den Namen Braunwald mit vielen Erfolgen an Turnfesten und Volleyballturnieren, sie erzielten am ETF in Genf den ersten Rang, in die Welt getragen und würdig vertreten. Im Jahre 1986, fast zwanzig Jahre nach der Gründung, der verdient Lohn: Die Turnhalle mitsamt Hallenbad konnte eingeweiht werden. Ein Meilenstein in der Geschichte des DTV Braunwald.

Stolz? Nur auf den Verein!

Pionierin? Visionärin? Trudy Hefti relativiert. Auch wenn die Initiative für die erste Turnstunde in Braunwald ihren Namen trägt, die Erfolgsgeschichte sagt sie, ganz Teamplayerin, schrieben und schreiben alle Vereinsmitglieder gleichermassen. Was sie am meisten freut? Dass der DTV Braunwald mit 39 Aktivmitgliedern, 15 Jugikindern und einem erfolgreichen 1. Liga-Volleyballteam ein lebendiger Verein geblieben ist. Sie selbst geniesst noch das Altersturnen und einmal im Monat singt sie im kantonalen Veteranenchor, wo sie so manche Turnerin aus früheren Zeiten trifft. Ein Kreis schliesst sich.

Text: Ernst Schreiber
Bilder: zVg. DTV Braunwald